Einführung

Die überaus schnelle technische Entwicklung auf dem Gebiet der elektronischen Datenverarbeitung hat sehr viele Menschen als Anwender dieser Technik zu Teilnehmern der Innovation werden lassen. Das hat ihnen und den Entwicklern der neuen Werkzeuge zum Bewußtsein gebracht, daß es nicht damit getan ist, sich an den vielfältigen Funktionen des geschickt programmierten Computers zu berauschen, sondern daß er durch geeignete Maßnahmen an die Bedürfnisse des arbeitenden Menschen so angepaßt werden muß, daß diese ihn mit größtmöglichem Vorteil für ihre Arbeit benützen können. Benutzergruppen und Wissenschaft fordern daher mit Erfolg seit den achtziger Jahren eine verbesserte Benutzbarkeit, die Industrie weiß, daß Benutzbarkeit ein Qualitätsmerkmal ihrer Produkte sein muß, und hat große Anstrengungen zu deren ergonomischer Verbesserung getan. Clare-Marie Karat vom Thomas J. Watson Research Center der IBM hat aus dieser Entwicklungserfahrung heraus die Anforderungen der Benutzer in "User's Bill of Rights" zusammengefaßt, also sozusagen in "Grundrechten" für die Anwender der Datenverarbeitung.

Ergonomie als Wissenschaft und als Ingenieurdisziplin baut auf den Ergebnissen der Arbeitswissenschaft, der Psychologie und der Technologie auf, um zu Konstruktionsprinzipien, Normen und Beispielen von Benutzungsschnittstellen zu kommen. Ihr Ziel ist, eine Arbeitsgestaltung zu ermöglichen, die die Bedürfnisse des Menschen nach einer zufriedenstellenden, abwechslungsreichen, selbstbestimmten, produktiven Arbeit mit den Mitteln der modernen Computertechnik befriedigt.

Im weitesten Sinne umfaßt Ergonomie alle Aspekte menschlicher, technikunterstützter Arbeit: physiologische, geistige und organisatorische. In diesem Kurs wird über physiologische Aspekte nur im Zusammenhang der Wahrnehmung gesprochen werden. Es wird also vor allem von dem die Rede sein, was heute allgemein Software-Ergonomie genannt wird, während die Gesichtspunkte der Arbeitsplatzgestaltung, der Beleuchtung, des Sitzes und der Gestaltung und Aufstellung der Geräte nicht behandelt werden. Dafür wollen wir uns andererseits nicht mit der Beschreibung dessen zufrieden geben, was der Mensch vor allem auf seinem Bildschirmterminal zu sehen bekommt, sondern es sollen auch die organisatorischen Anpassungen für eine optimale Arbeitsgestaltung bei Einführung von Computerarbeit und die wirtschaftliche Rechtfertigung ergonomischer Arbeiten besprochen werden.

Software-Ergonomie als Ingenieurdisziplin muß sich als Gestaltungswissenschaft begreifen, der Ergonom oder der ergonomisch arbeitende Informatiker wählt aus der Fülle der Mittel, die ihm die Technologie zur Verfügung stellt, diejenigen aus, mit denen er die stets wechselnden Anforderungen der Menschen zu befriedigen sucht, deren Arbeit er unterstützen will. Er muß sich dazu nicht nur der technischen Möglichkeiten sondern auch der tatsächlichen Arbeitsverhältnisse der Anwender seiner Produkte bewußt sein. Aus dieser Kenntnis der Anforderungen und der Möglichkeiten gilt es, die neuen Produkte zu entwerfen, zu konstruieren und durch Erprobung zur Reife zu bringen. Normen und Richtlinien geben Anhaltspunkte und Hinweise, helfen grobe Fehler zu vermeiden, sollen die Einheitlichkeit sichern, wo sie gefordert ist. Bloße Normenkonformität kann aber die schöpferische Entwicklungsarbeit nicht ersetzen, die zu innovativer Arbeitsgestaltung führt.

Sehen Sie, lieber Leser, wie sich in besonders lebhafter Weise Prof. Frieder Nake, Informatik, Universität Bremen, dazu äußert.