Schreiben wie ein Prediger

Technische Redakteure müssen Kompliziertes mit einfachen Worten erklären
von Walter Schmidt

Dass man doch "bitte die Eingangsschnur nicht grausam betreten" solle, empfiehlt die Gebrauchsanweisung für den neuen CD-Spieler. Im Handbuch für einen Computerbildschirm heißt es rätselhaft: "Wenn der Monitor ein von erkennt, stellen Sie zeitliche Regelung Signale ein, ruft es wieder auf, dass Modus und irgendwelche Gespeicherten Bildschirmanzeigejustage, die Sie eingestellt haben." Solchen Unsinn sollen Technische Redakteure vermeiden.

Etwa 30 000 Technische Redakteure, schätzt die Stuttgarter Gesellschaft für technische Kommunikation (tekom), gibt es in Deutschland. Zwar nennen sich nicht alle so, doch ihr Job ist der gleiche: Sie formulieren Konstruktions- und Bedienungsanleitungen von Laptops, Reiseweckern oder Elektroherden und versuchen sich an einer Antwort auf die Frage: Wie sag ich's meinem Kunden? Gerd Götz vom Hifi-Gerätehersteller Philips sagt: "Gebrauchsanweisungen müssen sein wie die Bergpredigt - jeder muss sie verstehen können."

Ist die Gebrauchsanweisung gut, freut sich der Kunde

Käufer haben einen Rechtsanspruch auf vorhandene und verständliche Produktinformationen. Nach einem Urteil des Bundesgerichtshofs sei ein Kaufvertrag nicht abgeschlossen, wenn die "notwendige Instruktion" nicht mitgeliefert werde, sagt Godehard Pötter, Sachverständiger für technische Verbraucherinformation in Recklinghausen. Verbraucher hätten in diesem Fall das Recht auf Geldrückgabe, Preisminderung oder Umtausch in vollständige, fehlerfreie Ware. Und nicht nur das: "Wenn etwa nicht ausdrücklich und verständlich beschrieben ist, dass man ein Gerät nicht unter brennbaren Materialien wie Gardinen aufstellen soll, und das Haus in Flammen aufgeht, dann muss der Hersteller meist zahlen", sagt Pötter.

Weil noch längst nicht jede Gebrauchsanweisung verständlich geschrieben ist und weil zudem immer mehr technische Produkte auf den Markt kommen, bieten sich Technischen Redakteuren große Chancen. "Der Arbeitsmarkt für diese Leute boomt", sagt Gregor Schäfer von der tekom. Der Fachverband schätzt die Zahl offener Stellen auf 10 000 bis 15 000. Jedes Jahr kämen rund 1000 neue dazu, vor allem in den Bereichen Software und Telekommunikation. Und dabei haben laut Schäfer viele Firmen die Bedeutung guter Verbraucherinformationen für Marketing und Kundenbindung noch gar nicht erkannt: Wer ein Regal auch nach drei Anläufen nicht zusammenbauen kann, wird den Hersteller kaum weiterempfehlen.

Zu oft beschreiben Gebrauchsanleitungen, ganz im Sinne detailverliebter Konstrukteure, was ein Gerät alles kann. Doch unbedarfte Käufer haben zunächst ganz nahe liegende Fragen: Wie schließe ich den Computer an? Wofür ist die rechte Maustaste gut? Was mache ich, wenn der Bildschirm flimmert? Beim Beantworten solcher Fragen müssten Technische Redakteure unbedingt Sprachschatz, Alltagswissen und Gefahrenbewusstein der Käufer beachten, sagt Pötter.

Das lässt sich lernen. Tekom-Mitglieder bieten beispielsweise Weiterbildungskurse für technisches Personal an. Hochschulabsolventen können bei privaten Instituten in mehrmonatigen Lehrgängen das notwendige Know-how erwerben. Und inzwischen gibt es auch an mehreren Fachhochschulen oder technischen Universitäten spezielle Studiengänge: In der Regel folgen auf vier Semester Maschinenbau oder Elektrotechnik vier weitere in technischer Dokumentation oder Redaktion.

Florian Hasibether studiert Informatik an der Rheinisch-Westfälischen Technischen Hochschule (RWTH) in Aachen. Zusätzlich hat er sich für einen Magisterstudiengang zum Technischen Redakteur entschieden, den seine Hochschule seit vergangenem Herbst anbietet. Dort belegen die Studenten zum einen Kommunikationswissenschaft, zum anderen ein Fach, das ihnen technische Grundlagen vermittelt. Das kann zum Beispiel Informatik sein, Elektrotechnik oder Maschinenbau. "Die meisten Techniker können ihre Produkte einfach nicht gut genug präsentieren und ihren Kunden erklären, wie man sie benutzt", sagt Florian Hasibether. Jetzt lernt er neben rechtlichen Aspekten der Produkthaftung auch, wie man Sprache verständlich einsetzt. Dazu gehört in Aachen, dass die Studenten neben Englisch eine weitere Fremdsprache beherrschen, aber auch Linguistik. Das Wissen um "Binnenmorpheme" und "unbestimmte Determinanzen" hält Jörg Jost, einer der Aachener Linguistikdozenten, für "sehr wichtig", denn die Absolventen müssten später im Job gut begründen können, warum eine Anleitung unverständlich verfasst ist. "Bauchgefühl reicht da nicht."

Das Internet verlangt knappe, präzise Erläuterungen

Den Praxisbezug liefern ein dreimonatiges Praktikum in der Wirtschaft sowie enge Kontakte zu Firmen, die in Lehrveranstaltungen auch schon mal neue Produkte vorstellen. Die Resonanz aus den Unternehmen auf den neuen Studiengang ist offenbar gut. "Über unsere Praktikantenbörse könnten wir mehr Studenten in bezahlte Praktika vermitteln, als wir haben", freut sich Jost.

Als Peter Weber vor fast 35 Jahren anfing, Produktinformationen zu verfassen, gab es den Aachener Studiengang noch lange nicht. "Ich bin Autodidakt", sagt der 62-jährige Elektroingenieur für Hochfrequenztechnik aus Meerbusch bei Düsseldorf. Heute schreibt er für eine Viersener Firma Bedienungsanleitungen und Handbücher für Netzgeräte, Laborgeräte und Steckernetzteile. Weber hält wenig von Technischen Redakteuren, die direkt von der Hochschule kommen. Für seinen Job brauche man "kreative Erfahrung in technischen Berufen" und sollte möglichst schon selbst Produkte entwickelt haben. "Sonst kommt da nix bei raus", sagt der Praktiker.

Das sieht Emil Kubica anders. Er bildet Technische Redakteure beim Dortmunder Bildungsinstitut tecteam aus, das schon seit 1987 Technikfachleute im Vermitteln von Geräte- und Programmfunktionen schult. "Wer keine Berufspraxis hat, muss sich wie überall einarbeiten." Um Ansprüche potenzieller Arbeitgeber und die Lehrinhalte aufeinander abzustimmen, tauscht sich das Institut regelmäßig mit den Firmen aus. Die Kosten für die einjährigen Lehrgänge mit den Schwerpunkten "Print" und "Multimedia" übernimmt - wie bei anderen Anbietern auch - das Arbeitsamt, sofern Bewerber geeignet erscheinen.

Voraussetzung für die Ausbildung bei tecteam ist ein Diplom in einem technischen oder naturwissenschaftlichen Fach, aber auch Germanisten werden genommen, "nur schreiben die später keine Bedienungsanleitungen für Dieselaggregate, sondern gehen eher in den Multimediabereich", sagt Kubica.

Gerade das Internet als neuer Vertriebspfad für Waren stellt die Produktbeschreiber vor neue Herausforderungen: Gefragt sind knappe, präzise Erläuterungen, damit potenzielle Kunden mit ein paar Mausklicks dem gewünschten Auto unter die Motorhaube schauen oder das Fertighaus von innen besichtigen können.

"Um die Chancen auf dem Arbeitsmarkt abschätzen zu können, testen wir die Formulierfähigkeit der Bewerber und schauen auf ihr Persönlichkeitsprofil", sagt Kubica. Nur durch sorgfältige Auswahl der Interessenten und durch sehr gute Firmenkontakte schaffe es das Institut, "innerhalb eines halben Jahres nach Kursende alle Bewerber in Jobs unterzubringen". Schließlich sei das Erstellen von Kundeninformationen, wie ein erfahrener Branchenkenner sagt, "Arbeit für Profis und nichts für den arbeitslosen Religionslehrer mit Word auf dem PC". Und das haben mittlerweile auch viele Firmen erkannt.

Eine Übersicht über Ausbildungswege zum Technischen Redakteur gibt die Internet-Seite der Gesellschaft für technische Kommunikation (tekom) e.V unter www.tekom.de. Die Adresse des Fachverbandes: Eberhardstraße 69-71, 70173 Stuttgart, Tel. 0711/657 04-0. E-Mails an info@tekom.de

© Die Zeit 24/2000