Richtlinien und Normen


Normen

Normen erhalten ihre Verbindlichkeit zum einen durch die Übereinkunft der an ihrer Formulierung Beteiligten, das sind Vertreter der Wissenschaft, der Industrie und der Abnehmer und Verwender von Industrieprodukten. Insofern ist die Befolgung von Normen freiwillig. Andererseits beschreiben Normen den Stand der Technik und werden als seine Definition in Gesetzestexten, Sicherheitsvorschriften und ähnlichem herangezogen. Indirekt werden sie dadurch mit der Rechtsverbindlichkeit dieser Gesetze und Verordnungen ausgestattet und wirken mithin normativ. Ein Verstoß gegen die Normen kann auf diese Weise nämlich eine Verletzung einer Rechtsvorschrift mit sich bringen.

Technische Normen machen genaue Angaben, z.B. über Maße, geben Toleranzen und die vorgeschriebenen Meßmethoden an. Dadurch erhalten sie eine große Präzision in den Aussagen. Das ist bei ergonomischen Normen nicht möglich. Dennoch hat man relativ früh, schon in den achtziger Jahren, Normen im DIN vorgeschlagen, mit der Absicht, den Stand der arbeitswissenschaftlichen Forschung und den Stand der Erfahrung darzustellen, um damit ergonomischen Zielsetzungen in der Entwicklung neuer Produkte Nachdruck zu verleihen. Trotz erheblicher Widerstände gegen eine Norm so ungewohnten und schwer bestimmbaren Inhalts ohne die sonst übliche technische Genauigkeit wurden deutsche und internationale Normen etabliert, die heute eine weltweite Anerkennung gefunden haben.

Alle ergonomischen Normen sind notwendigerweise sehr allgemein gehalten, da sich die Vielfalt menschlicher Bedürfnisse und Arbeitsweisen nicht in eine Vorschrift pressen lassen. Befolgung von Normen kann also auch nicht die ergonomische Güte eines Produkts sicherstellen. Das gilt ebenso für alle anderen Formen von Vorschriften oder Richtlinien. Letzten Endes ist die aus der Sicht der Benutzer gelungene Anpassung an die individuell vorliegenden Arbeitsverhältnisse der entscheidende Maßstab. Normen und Richtlinien können aber Hinweise und Anregungen geben, welche Gesichtspunkte beim Entwurf und bei der Einführung des Produkts zu beachten sind und welche erprobten Lösungsmöglichkeiten zur Verfügung stehen. Und sie können zur Begründung von Haftungsansprüchen herangezogen werden, wenn sich der Gesetzgeber in Gesetzen und Verordnungen auf solche Normen bezieht. Das ist in letzter Zeit verstärkt durch Richtlinien der Europäischen Kommission und die nachfolgenden Verordnungen der nationalen Regierungen der Fall.

Richtlinien

Um größtmögliche Konsistenz im Design ihrer Produkte und zwischen Systemprodukten wie OS/2 oder Windows und den darauf laufenden Anwendungsprogrammen zu erreichen, haben große Hersteller Richtlinien herausgegeben, an die sich ihre eigenen Entwickler halten sollen, die aber auch veröffentlicht werden, damit sich Anwendungsentwickler danach richten können, die Programme für diese Systemumgebungen schreiben wollen. In diesen, manchmal auch "Styleguides", genannten Richtlinien werden Elemente und Formen von Benutzungsoberflächen und ihrer Interaktionsmöglichkeiten beschrieben, die ergonomisch vertretbar sind. Aber auch sie können nicht die optimale Benutzbarkeit in allen Fällen garantieren. Oft fließen in die Richtlinien der Hersteller Neuentwicklungen ein, die sich im Arbeitsalltag noch nicht bewährt haben. Ein Beispiel, das in letzter Zeit viele Diskussionen über seine Benutzbarkeit ausgelöst hat, sind die "Registerkarten" für die Steuerung komplexer Dialoge (z.B. in Windows 95). Styleguides entheben also den Entwickler keineswegs der Notwendigkeit, mit den zukünftigen Benutzern seines geplanten Produktes eng zusammen zu arbeiten.

Verständlicherweise haben die Hersteller in ihren Richtlinien oder Styleguides ein bestimmtes Erscheinungsbild der Oberfläche gewählt, um ihre Produkte auch äußerlich von denen anderer Hersteller unterscheidbar zu machen. Solange trotz solcher Unterschiede die Bedienung einheitlich bleibt, sind sie für den Benutzer unerheblich.

Die Gestaltungsregeln der Hersteller sind immer noch relativ allgemein. Um alle Programmierer, die an einem Projekt oder in einer Firma arbeiten, auf größere Einheitlichkeit in ihren Entwicklungen zu verpflichten, werden firmenspezifische Gestaltungsregeln notwendig, die verbindliche Vorschriften im Detail geben. Hier können dann auch ästhetische Stilelemente aufgenommen werden, die das Bild der Firma nach außen prägen sollen.

Im Zusammenhang mit solchen Richtlinien sind Prüflisten sinnvoll, um die Übereinstimmung des Designs mit der Richtlinie sicherzustellen. Ebenso wenig wie die Richtlinie selbst, können Prüflisten aber eine ergonomische Güte sicherstellen. Zu Beginn der Entwicklung der Software-Ergonomie sind, zum Teil mit erheblichem Aufwand, Prüflisten zusammengestellt worden, die zur Güteprüfung dienen sollten. Es war ein untauglicher Versuch, da er im Allgemeinen bleiben mußte und nicht auf die jeweils vorliegende Arbeitssituation Bezug nehmen konnte.

Güteprüfung

In Deutschland ist ein Prüfwesen entstanden, bei dem anerkannte Testinstitute Gütezertifikate für Software-Qualität vergeben. Da sie nach einheitlichen Prüfkriterien und einheitlichen Prüfverfahren vorgehen, hat das Gütezeichen dieser Organisation eine gewisse Aussagekraft für den Benutzer. Die Prüfgebiete und -kriterien sind aber relativ allgemein. Ein Gütezeichen dieser Testorganisation kann daher die Benutzbarkeit in keinem Falle garantieren.