Dialogkomponenten (semantische Ebene)Wenn hier von der "semantischen" Ebene des Dialogs die Rede ist, dann ist damit gemeint, daß dargestellt werden soll, auf welche Weise Bedeutungen zwischen Computer und Mensch vermittelt werden. In diesem vorliegenden Fall geht es vornehmlich darum, wie Botschaften, die vom Computer geäußert werden, so gestaltet werden, daß sie der empfangende Mensch, der Benutzer des Computers, auch in ihrer Bedeutung versteht. Der Computer dagegen kommt bisher meist ohne eine Bedeutungsinterpretation der Eingabe des Benutzers aus, er reagiert auf die Botschaft des Benutzers nach einem vorher festgelegtem Reiz-Reaktions-Schema. Das ist z.B. der Fall, wenn der Benutzer einen Menüpunkt auswählt oder in einem Prompt den "OK"-Knopf betätigt. Ebenso sind eingegebene Texte für den Computer nur Ketten von typographischen Zeichen, deren Bedeutung er nicht zu erkennen versucht, sondern die er unverändert zu speichern und zu reproduzieren in der Lage sein muß. Anders ist der Fall bei der automatischen Spracherkennung. Selbst wenn es sich nur um ein Diktiersystem handeln sollte, wird das empfangende Programm beispielsweise nicht zwischen "ehe" und "Ehe" unterscheiden können, ohne die Bedeutung des Wortes an dieser Stelle der Eingabe des Benutzers zu untersuchen. Erst Recht ist dies notwendig, wenn dem Computer natürlichsprachliche Anweisungen gegeben werden sollen oder wenn er Text übersetzen soll. Die Reaktion des Computers wird davon abhängen, wie er den eingegebenen Text in seiner Bedeutung "verstanden" hat. Um im Kommunikationsprozeß des Dialogs Informationen auszutauschen, werden Zeichen verwendet. Unter Umständen sind mehrere Zeichen zu einer Kette verbunden, wie die Buchstaben dieses Satzes zu Wörtern und die Wörter zu einem Satz. Die Bildungsregeln solcher Ketten sind Gegenstand der Syntax. Aber selbst in der "mündlichen" Kommunikation unterstützen wir die Rede durch Ausdruck von Körper und Gesicht, der Gestik und Mimik. Und wir ergänzen sie durch grafische und akustische Zeichen aller Art, z.B. Zeichnungen. Wie sehr wir in der Kommunikation mit anderen auf Gesten und Mimik angewiesen sind, merkt man sehr schnell, wenn man versucht, sich mit jemand über das Telefon über einen technischen Sachverhalt zu verständigen, z. B. die Installation einer neuen Festplatte in einem PC. Sofort fehlen einem insbesondere die zeigenden Gesten ("Deiktische"Gesten). Aber auch ganze Aussagen der Zustimmung, der Abwehr und vieles andere mehr können durch Gesten ausgedrückt werden. Der Ausdruck von Gefühlen durch unsere Mimik signalisiert dem Gesprächspartner frühzeitig, ob er bei uns auf Skepsis, Zustimmung, Erkennen, Unverständnis, Freude stößt. Wir sind so sehr auf diese Mitteilungen angewiesen, daß die Kommunikation unter Ausschluß dieser nicht-verbalen Mitteilungen ungeheuer erschwert ist und zusammenbrechen kann, d.h. "man versteht sich nicht". Es ist also sehr zu bezweifeln, ob technische Kommunikationssysteme, die Mimik und Gestik nicht zu vermitteln vermögen, für die Aufrechterhaltung von Gruppenarbeit geeignet sind. Zeichen stehen für etwas, das sie bedeuten. Das Wort "Hund" ist nicht der Hund sondern bedeutet den Hund. Ich kann das Zeichen "Hund" zur Kommunikation mit jemand anders nur verwenden, wenn derjenige auch seine Bedeutung kennt. Die Gesamtheit der Zeichen und Regeln, die in einer kommunizierenden Gemeinschaft von deren Mitgliedern gekannt und benutzt werden, bezeichnet man als Sprache. Wir benutzen in unseren sprachlichen Äußerungen sehr oft bildhafte Umschreibungen dessen, was wir vermitteln wollen, sog. Metaphern. Das benutzte Bild drückt im übertragenen Sinne das eigentlich Gemeinte aus. Z.B. nennen wir jemand "kalt", wenn wir ihn für gefühllos halten. Die Metapher soll auf eindrucksvolle und wirkungsvolle Weise eine Botschaft vermitteln. Das setzt natürlich voraus, daß der Empfangende das Bild versteht einschließlich aller mitgemeinten Nebenbedeutungen und Stimmungswerte. Bei der Konstruktion von Benutzungsschnittstellen spricht man z.B. oft von der "Schreibtisch-Metapher". Gemeint ist, daß der Bildschirm solche Objekte zeigt, deren Bedeutung und Handhabung man versteht, wenn man den Bildschirm betrachtet, als ob er die Fläche eines Schreibtisches wäre. Die Metapher stellt hier also einen Verständigungsrahmen dar, für alle diejenigen, die mit typischen Arbeiten an einem Schreibtisch vertraut sind. Diese Vermittlung von Bedeutung durch die Metapher hat demnach auch ihre Grenzen. Was fängt man mit der Schreibtischmetapher in einer Fabrik an? Oder was sagt sie dem zukünftigen Benutzer eines papierlosen, automatisierten Büros? Je mehr die Anwendungen spezifisch werden (Kaufmännisches Büro, Börsenmakler, Ingenieur, Pilot, ...) um so spezifischer müssen die für die Konstruktion und die Beschreibung der Benutzungsoberfläche verwendeten Metaphern werden, um ihrem Zweck zu erreichen. Unser ausdrucksfähigstes, flexibelstes und daher wichtigstes Kommunikationsmittel ist unsere Sprache. Um alle Schattierungen der von uns gemeinten Bedeutung ausdrücken zu können und uns verständlich zu machen, reichern wir unsere sprachlichen Formulierungen mit mehr Information an, als unbedingt notwendig wäre, wir verwenden Redundanz. In der Kommunikation mit einer Maschine ist es aber effizienter, eine weitgehend redundanzfreie Sprache anzuwenden, die das und nur das an Information enthält, was der Maschine jeweils mitgeteilt werden soll, kurz und präzise. Dazu eignet sich jedoch unsere natürliche Sprache nicht; sie ist aus anderen Bedürfnissen, denen der menschlichen Kommunikation, heraus entstanden. Daher hat man für die Kommunikation mit Computern künstliche Sprachen geschaffen, die einen streng definierten Satzbau (Syntaktik) und genau bestimmte Bedeutungen (Semantik) haben und damit eine redundanzfreie und eindeutige Ausdrucksweise ermöglichen. Mit ihrer Hilfe kann der Mensch auf sehr wirkungsvolle Weise mit den Maschinen kommunizieren, aber er kann damit z.B. seinem Mitmenschen keine Gefühle ausdrücken. Solche formalen Sprachen müssen zusätzlich erlernt werden und sind, wenn sie eine große Ausdrucksmächtigkeit haben sollen, auch nicht leicht und von jedem zu erlernen. Es ist also verständlich, daß die Forderung nach einer Möglichkeit der Verständigung mit dem Computer in natürlicher Sprache alt ist und immer wieder erhoben wird. Die Ausgabe von Information in natürlicher Sprache stellt kein besonderes technisches Problem dar, weder als Bildschirmanzeige noch als Sprachausgabe. Jeder Text auf dem Bildschirm ist in natürlicher Sprache formuliert, sofern nicht nur Kodes oder Tabellen angezeigt werden. Der Mensch ist aber im höchsten Maße darauf angewiesen, daß diese Texte seinem Sprachgebrauch entsprechen, d.h. in seiner Landessprache und unter Verwendung seiner gewohnten Fachausdrücke abgefaßt sind. Wird hier eine Sprache verwendet, die zwar dem technischen Jargon des Programmierers aber nicht der Fachsprache des Anwenders entspricht, treten ständig Mißverständnisse und Frustrationen beim Anwender auf. Die Eingabe natürlicher Sprache erfordert einen wesentlich höheren technischen Aufwand und ist zum Teil noch nicht möglich. Relativ einfach ist das Problem zu lösen, wenn die Sprache teilweise eingeschränkt wird auf Sätze sehr einfacher Struktur ("Rezeptsprache") und wenn die Eingabe über die Tastatur erfolgt. Datenbankabfragen können mit einer solchen Sprache auf sehr effiziente Weise erfolgen und erfordern nur eine kurze Einlernzeit. Wird aber vom Computer die Sinnerkennung umfangreicherer Sätze erwartet, stellt sich ein erhebliches Problem. Die Bedeutung eines Wortes ergibt sich für den menschlichen Hörer einer Nachricht oft erst aus dem gesamten Zusammenhang, in dem die Nachricht gesprochen worden ist. Wir verwenden unser ganzes Wissen von der Welt, um die Unbestimmtheiten und Mehrdeutigkeiten der Sprache aufzulösen. Dieses Wissen, daß wir besonders in den ersten zehn Jahren unseres Lebens erlernen, besitzt der Computer nicht. Versuche, es ihm beizubringen, haben bisher nur sehr beschränkten Erfolg gehabt. Aus diesem Grunde sind Computer auch noch kaum in der Lage, frei formulierte Sprache ihrem Sinn nach richtig zu interpretieren. Wiederum ein anderes technisches Problem stellt sich dann, wenn der Computer gesprochene Sprache wenigstens orthographisch richtig aufnehmen soll. Er muß dann die über ein Mikrophon empfangenen Laute in Wörter trennen und sie erkennen. Daß dieses Problem gelöst sei und demnächst die perfekte Diktiermaschine auf dem Markt erscheinen werde, ist eine Übertreibung mancher Werbung. Was heutige Systeme leisten, ist die Erkennung von deutlich getrennt gesprochenen Wörtern. Dabei ist der verwendbare Wortschatz noch ziemlich gering, wächst aber ständig. Zusammenhängend gesprochene Sprache, so wie wir Menschen sie untereinander sprechen, wird noch kaum erkannt. Statt allzu gewagten Hoffnungen nachzuträumen, sollten Entwickler von Computersystemen lieber ihre Kraft darauf verwenden, alle sprachlichen Ausdrucksformen in Menüs, Meldungen, Hilfetexten, Handbüchern usw. sorgfältig zu formulieren und dem Benutzer in seiner Sprache zur Verfügung zu stellen. Botschaften, die von Mitgliedern anderer Sprachgemeinschaften als der Ursprungssprache verstanden werden sollen, müssen übersetzt werden. Wir sind gewöhnt, dies für verbale, gesprochene oder geschriebene Äußerungen zu akzeptieren, wenn wir auch noch nicht immer hinreichend in der Lage sind, die Voraussetzungen für eine gelingende Übersetzung bei der Gestaltung eines Systems zu schaffen. Die Profession der Übersetzer ist mit den besonderen Schwierigkeiten ihrer Aufgabe vertraut. Wir gehen aber oft allzu leichtfertig von der Annahme aus, daß andere Zeichen, wie Grafiken, Farben, Gestik und Mimik, überall verstanden werden und der Übersetzung nicht bedürfen. Dabei wird der Vorrat an typischen Objekten, die ein Mensch erkennt, in der frühen Kindheit erworben, ist also durch das kulturelle Umfeld geprägt, in dem der Betreffende aufwächst. Eine amerikanische Mailbox ist daher für den Europäer in der Regel kein interpretierbares Zeichen. Wie alle Zeichen, die wir verwenden, tragen auch Farben Bedeutungen für uns, die durch unsere Kultur geprägt sind. Eine Untersuchung der Farbbedeutungen in der Spätantike und dem Mittelalter hat etwa 20000 verschiedene Farbendeutungen ergeben, die in jenen Jahrhunderten benutzt wurden, uns aber weitgehend verloren gegangen sind. Aber auch wir benutzen im täglichen Leben Farbkodes wie das Rot als Farbe, die vor Gefahr warnen soll, und als Farbe der Liebe. Diese Bedeutungen können von einem Kulturkreis zum anderen wechseln.
(Weiterführend: Umberto Eco, Zeichen - Einführung in einen Begriff und seine Geschichte, edition suhrkamp, 1977) |