Das Menschenbild der Technik Jeder, der Technik gestaltet, also auch jeder Informatiker, wird unter anderem geleitet durch das Bild, das er sich von dem arbeitenden Menschen (also auch von sich selbst!) macht. Nicht immer ist dieses Bild bewußt reflektiert und kann von dem Entwickler auch ausdrücklich beschrieben werden, aber es ist immer vorhanden und wirksam. Das ist dort ganz offensichtlich, wo der Technik menschliche Eigenschaften beigemessen werden. Die Bezeichnung Künstliche Intelligenz für ein Teilgebiet der Informatik suggeriert die Möglichkeit, technisch etwas zu realisieren, was bisher dem Menschen vorbehalten zu sein schien, ja ihn geradezu kennzeichnete: seine Intelligenz. Der Ausdruck Künstliche Intelligenz erregt Aufmerksamkeit, provoziert Hoffnungen auf phantastische technische Möglichkeiten und Ängste, als Mensch vollständig ersetzbar zu werden. Und tatsächlich kennzeichnet er auch das Menschenbild, das manche seiner Erfinder haben. Für sie ist der Mensch ein Wesen, das prinzipiell in seinem rationalen Verhalten vollständig technisch abbildbar und daher technisch ersetzbar ist. Von diesem Menschenbild geleitet, streben sie die Verwirklichung einer Technik an, die den Menschen im Arbeitsprozeß auf die Tätigkeiten reduziert, die noch nicht automatisiert sind, und ihn letztlich überflüssig macht. Ein sehr interessantes, modernes Entwicklungsgebiet der Informatik ist das der Computerunterstützten Gruppenarbeit (Computer Supported Cooperative Work, CSCW). Wenn die Entwickler der sogenannten Groupware die Vorstellung haben, daß der Mensch seine Arbeit nur durch Befehl erhalten sollte, durch Gehorsam zu seiner Arbeit motiviert ist und das Arbeitsergebnis nur durch Kontrolle gesichert werden kann, dann wird die entstehende Groupware auch nur solche autoritären Strukturen zulassen. Es herrscht verordnete Arbeitsteilung, die Kooperation zwischen den Kollegen nicht wünscht und nicht zuläßt. Die Arbeitszuteilung erfolgt einseitig vom Manager an die Untergebenen, die Kontrolle durch den Manager erfolgt ohne Wissen der Kontrollierten durch automatische Rückmeldung über den Arbeitsvollzug. Ein Menschenbild dagegen, das vom selbständigen, verantwortlichen Mitarbeiter ausgeht, wird partizipatorische Methoden der Arbeitsverteilung und eigenverantwortliche, vom Mitarbeiter ausgelöste Arbeitsberichte unterstützen. Die Teambildung ist erwünscht und wird erleichtert, um gegenseitige Abstimmung, Hilfe und Synergie zu erreichen. Software-Ergonomie als auf den Menschen orientierte Technikgestaltung ist ganz offensichtlich von dem ihr zugrunde liegenden Menschenbild abhängig. Ein Informatiker, der bei dem Entwurf einer Benutzungsoberfläche nur die Konformität mit Normen und Styleguides prüft, ohne sich um den realen Benutzer seiner Programme zu kümmern, leugnet die Vielfalt menschlicher Verhaltensweisen und preßt den Arbeitenden in das von seinen Checklisten vorgegebene Schema. Für einen am wirklichen Menschen orientierten Informatiker sind Normen nur Hilfsmittel, die den Kontakt mit den zukünftigen Anwendern unterstützen und die Erfassung wichtiger Informationen über die Benutzung strukturieren und erleichtern. Darüber hinaus muß Software-Ergonomie bemüht sein, auch in der Organisation der Anwendung Arbeitsverhältnisse zu erreichen, die menschliche Fähigkeiten unterstützt und menschliche Kompetenzen fördert. |